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Kündigung wegen unsorgfältiger Abklärung von Kundeninformationen (4A_242/2017)

Kündigung wegen unsorgfältiger Abklärung von Kundeninformationen (4A_242/2017)

Rechtsprechung
Privates Individualarbeitsrecht

Kündigung wegen unsorgfältiger Abklärung von Kundeninformationen (4A_242/2017)

Der Arbeitnehmer und Beschwerdeführer war bei der Bank Z in der Abteilung Handelsgeschäfte in der Abteilung Commodity Trade Finance als Mitarbeiter des front desks tätig. Seine Aufgabe bestand darin, der Bank neue Kunden zu vermitteln, welche auf Finanzierung ihrer Transaktionen mit Rohstoffen angewiesen waren. Diese Tätigkeit beinhaltete die Erstellung der Kreditprotokolle mit zahlreichen Rubriken. Die Protokolle wurden nach Prüfung durch die intern zuständige Stelle der Geschäftsleitung zur Genehmigung vorgelegt. Die Erstellung dieser Protokolle setzte voraus, dass der Arbeitnehmer sämtliche massgebenden Informationen sowohl über den Kunden, der die Rohstoffe kaufte, den Lieferanten dieser Rohstoffe als auch über den Mittelsmann (Depositär) beschaffte.

Der Beschwerdeführer vermittelte im Dezember 2011 ein Geschäft, welches sich im Nachhinein als Betrug entpuppte. U., der Vertreter der B. SA, einer schweiz- und europaweit bekannten Rohstoffhändlerin, beantragte von der Arbeitgeberin des Beschwerdeführers einen Kredit in der Höhe von ca. 4.9 Millionen US Dollar zur Finanzierung eines Rohstoffgeschäfts. Der Beschwerdeführer hatte bereits sieben Jahre davor Geschäfte mit B. SA vermittelt, weshalb ihm B. SA bekannt war. Vorgesehen war ein Kauf von 6'500 Tonnen Kohle durch B. SA, die in der Folge der Bank C. hätten weiterverkauft werden sollen. Die Finanzierung stützte sich auf eine Lagerbescheinigung, die durch den Mittelsmann D. erlassen worden war. Dieses Zertifikat bestätigte, dass die Ware geliefert und dem Käufer zur Verfügung gestellt worden war. Nach Erhalt der nötigen bankinternen Genehmigungen löste der Beschwerdeführer auf Order von B. SA und gestützt auf die erwähnte Bescheinigung die Zahlung der genannten Summe an den Lieferanten aus. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Mittelsmann D. nicht existierte und dass nie eine Lieferung der Rohstoffe stattgefunden hatte. Der Betrug führte zum Konkurs von B. SA und dazu, dass die Arbeitgeberin des Beschwerdeführers das Geld nie zurück erhielt.

Die Bank kündigte dem Beschwerdeführer wegen einer schweren Verletzung der Pflichten aus Arbeitsvertrag im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Geschäft. Der Arbeitnehmer hätte zusätzliche Abklärungen zum Geschäftspartner treffen müssen. Es habe zu seinem Aufgabenbereich gehört, die Existenz, Bonität und Verlässlichkeit der Geschäftspartner zu eruieren.

Gemäss Bundesgericht ist die Aufzählung der Missbrauchstatbestände in Art. 336c OR nicht abschliessend. Es sind auch weitere Situationen denkbar, die eine Kündigung missbräuchlich werden lassen, wenn sie in ihrer Schwere denjenigen in Art 336c OR entsprechen (E. 3.2). Deshalb ist beispielsweise eine Kündigung missbräuchlich, wenn die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer ein pflichtwidriges Verhalten vorwirft, obwohl dieser Vorwurf unbegründet ist und die Arbeitgeberin ihre Rückschlüsse ohne ernstzunehmende Anhaltspunkte gezogen hat und ohne, dass die diesbezüglichen Abklärungen getroffen wurden. Dadurch verletzt die Arbeitgeberin die Persönlichkeit des Arbeitnehmers schwer (BGer 4A_485/2016 und 4A_491/2016 vom 28. April 2017, E. 2.2.2) (E. 3.2).

Der Arbeitnehmer ist der Ansicht, es sei nicht Teil seines Pflichtenhefts gewesen, zusätzliche Abklärungen zum Mittelsmann D. zu treffen. Er hat über seinen Kollegen E., der Mitarbeiter einer anderen Bank ist, in einem Gespräch die Bestätigung erhalten, dass er im Jahre 2010 mit dem Mittelsmann D. gearbeitet hatte, was auch belege, dass der Mittelsmann D. existiere. Sogar wenn die zusätzlichen Abklärungen Teil seiner Pflichten gewesen wären, hätten diese den sehr gut getarnten Betrug nicht aufdecken können (E. 4.2.1.2).

Ganz unabhängig davon, ob der Mittelsmann D. existiert oder nicht, ist dem Beschwerdeführer gemäss Bundesgericht vorzuwerfen, dass er sich auf bloss vage Informationen des Kollegen E. einer anderen Bank gestützt hatte. Es war auch keineswegs ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen sein soll, weiterführende Abklärungen zu D. zu treffen. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers liegt somit hauptsächlich darin, dass er sich auf vage Informationen abstützte, ohne dies ausdrücklich der Arbeitgeberin bekanntzumachen (E. 4.2.1.3). 

Erstens hat sich der Beschwerdeführer auf das erwähnte Schreiben gestützt, das von einem Mitarbeiter aus der Erinnerung mit sehr vagen Informationen erstellt wurde. Der Beschwerdeführer konnte nicht darlegen, dass oder weshalb es ihm unmöglich gewesen war, weitere Abklärungen zu treffen. Die diesbezüglichen Sachverhaltsdarstellungen der Vorinstanz sind nicht missbräuchlich (E. 4.2.2). Mit dem Hinweis, weitere Abklärungen hätten den Betrug auch nicht aufdecken können, argumentiert der Beschwerdeführer fälschlicherweise mit der Kausalität. Der Grund für die Kündigung ist aber, dass er sich entgegen seinen Pflichten auf offensichtlich vage und ungenaue Informationen gestützt hat und es unterlassen hat, seine Arbeitgeberin darüber zu informieren (4.2.1.3).

Gemäss Vorinstanz lag in der Verantwortung des Beschwerdeführers, die finanzielle Situation aller Beteiligten zu klären. Damit hätte er auch realisieren sollen, dass die Finanzlage von B. SA kurz vor der Transaktion schlecht war, und zwar auch, wenn dies in den durch die Revisionstelle geprüften Unterlagen des Vorjahres und die noch nicht revidierten Zahlen des laufenden Jahres nicht ersichtlich war. Er hätte sich auf anderen Wegen weitere Informationen beschaffen müssen. Der Beschwerdeführer hatte geltend gemacht, eine Prüfung der finanziellen Situation sei nicht Teil seines Pflichtenhefts. Das Bundesgericht stützte die Einschätzung der Vorinstanz. Auch wenn diesbezüglich tatsächlich weder Pflichtenheft noch Reglement bestand, haben die Befragungen der Vorinstanz ergeben, dass die Kreditprotokolle auch dazu dienten, die Bank über die finanziellen Verhältnisse der beteiligten Geschäftspartner zu informieren und dass es Aufgabe des Beschwerdeführers war, alle für den Kreditentscheid nötigen Informationen zu erlangen (4.2.2).

iusNet AR-SVR 12.02.2018