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Nichtigkeit einer Kündigung nach Freispruch vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung

Nichtigkeit einer Kündigung nach Freispruch vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung

Kommentierung
Öffentliches Personalrecht

Nichtigkeit einer Kündigung nach Freispruch vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung

VB.2019.00174

1. Ausgangslage

Das Zürcher Verwaltungsgericht musste sich in seinem Entscheid vom 14. November 2019 (VB.2019.00174) mit personalrechtlichen Spätfolgen der sogenannten Mörgeli-Affäre beschäftigen. Im September 2012 berichtete der «Tages-Anzeiger», dass der – zu jenem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichte – Jahresbericht des Medizinhistorischen Instituts der Universität Zürich schwere Kritik am Zustand des vom damaligen SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli geleiteten Museums und am Umfang seiner Lehrtätigkeit an der Universität enthalte. Die Affäre weitete sich aus und führte in der Folge sowohl zur Entlassung Mörgelis sowie zum vorzeitigen Rücktritt des damaligen Rektors der Universität Zürich. Im Zuge der Mörgeli-Affäre wurde auch die stellvertretende Direktorin des medizinhistorischen Instituts 2012 zunächst im Amt eingestellt und 2013 schliesslich entlassen. Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Entscheid diese Entlassung nun als nichtig beurteilt.

Die Universität warf der Professorin Amtsgeheimnisverletzung vor, weil sie den noch unveröffentlichten Bericht sowie weitere Interna rund um das Medizinhistorische Museum dem «Tages-Anzeiger» zugespielt haben soll. Im Rahmen der strafrechtlichen Untersuchung wurden sämtliche Mail- und Telefonranddaten aller Universitätsangehörigen (Mitarbeitende und Studierende) ausgewertet und es erfolgte gestützt auf diese Auswertung eine Hausdurchsuchung bei der entlassenen Professorin. Das Bundesgericht stellte indessen mit Urteil vom 29. November 20161 fest, dass sowohl die erhobenen Randdaten der Telefon- und E-Mail-Kommunikation als auch die anlässlich der Hausdurchsuchung erlangten Beweismittel strafprozessual unverwertbar seien. Begründet wurde die Unverwertbarkeit damit, dass die Auswertung der Fernmeldedaten sämtlicher Universitätsangehöriger einen Eingriff ins Fernmeldegeheimnis darstelle, für den es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage gefehlt habe und der überdies unverhältnismässig gewesen sei. Weil die weiteren Verfahrenshandlungen im Strafverfahren und damit insbesondere die Hausdurchsuchung einzig auf Erkenntnissen der unverwertbaren Randdatenerhebung beruhten, seien auch die dadurch erhobenen Beweismittel als nicht verwertbare Folgebeweise zu qualifizieren. Die Professorin wurde deshalb mangels verwertbarer Beweise vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung vollumfänglich freigesprochen. 

Die Universität stützte sich in der Begründung ihrer Kündigung – die im Oktober 2013 und damit noch vor Abschluss des Strafverfahrens ausgesprochen wurde – hauptsächlich auf Informationen, die im Rahmen der Strafuntersuchung erlangt wurden, namentlich auf eine Auswertung eines anlässlich der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Datenträgers der Professorin. 

2. Unverwertbarkeit von Beweismitteln im Verwaltungsverfahren

Das Verwaltungsgericht hatte deshalb in einem ersten Schritt zu beurteilen, ob die im Strafverfahren festgestellte Unverwertbarkeit der Beweismittel auch im personalrechtlichen Verwaltungsverfahren zu beachten ist. Das Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRG, LS 175.2) enthält zu dieser Frage keine Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht stellt aber fest, dass sich ein grundsätzliches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweismittel direkt aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV) ergibt. Ein solches Verwertungsverbot gilt indessen nicht absolut, sondern erfordert eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der betroffenen Person, ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel nicht zu verwenden und dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, ob das Beweismittel auch rechtmässig hätte beschafft werden können. Weiter vermag regelmässig nur ein gewichtiges öffentliches Interesse die Berücksichtigung rechtswidrig erlangter Beweismittel überhaupt zu rechtfertigen.2 Das Verwaltungsgericht prüft folgerichtig, ob die Universität die Beweismittel hätte rechtmässig beschaffen können und zeigt auf, dass eine flächendeckende Auswertung der Kommunikationsranddaten weder gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen zur Nutzung der Informatikmittel, noch gestützt auf die personalrechtlichen Grundlagen hätte erfolgen können. Eine Kontrolle des Telefon- und E-Mail-Verkehrs wäre lediglich bei einem konkreten und begründeten Verdacht auf eine missbräuchliche Nutzung sowie beschränkt auf einen oder wenige Angestellte zulässig gewesen. Auch die anlässlich der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Beweismittel hätten durch die Universität nicht rechtmässig erhoben werden können, da der Arbeitgeber selbstverständlich nicht zu Hausdurchsuchungen bei seinen Angestellten berechtigt ist. Das Verwaltungsgericht kommt damit zum Schluss, dass die Universität die für die Begründung der Kündigung angeführten Beweismittel nicht hätte rechtmässig beschaffen können. Auch im Rahmen einer Interessenabwägung verneint das Verwaltungsgericht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verwertbarkeit der unrechtmässig erlangten Beweismittel, zumal die in Frage stehende Amtsgeheimnisverletzung nicht als schwere Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zu werten sei, weil eine Veröffentlichung des weitergegebenen Berichts ohnehin unmittelbar bevorstand. Das Verwaltungsgericht kommt demzufolge zum Schluss, dass die Beweismittel auch im personalrechtlichen Verfahren als nicht verwertbar zu gelten haben. Dieses Ergebnis ist für die Universität als kündigende Arbeitgeberin gravierend, da sie sich in der Begrünung der Kündigung einzig auf diese Beweismittel stützen konnte und sie nun die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. 

3. Nichtigkeit der Kündigungsverfügung

Erweist sich die Kündigung eines auf dem kantonalen Personalgesetz gründenden öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisses als missbräuchlich oder sachlich nicht gerechtfertigt, stellt das Verwaltungsgericht die Unrechtmässigkeit der Kündigung fest und spricht eine Entschädigung zu (vgl. § 18 Abs. 3 Personalgesetz [PG, LS 177.10]). Es ist in solchen Fällen dem Verwaltungsgericht verwehrt, die Kündigung aufzuheben, da das kantonale Personalrecht keinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorsieht.3 Anders verhält es sich, wenn eine Kündigung nicht nur rechtlich mangelhaft, sondern nichtig und damit rechtlich absolut unwirksam ist. Die Nichtigkeit einer Verfügung wurde im vorliegenden Verfahren von der Professorin geltend gemacht, wäre aber vom Verwaltungsgericht ohnehin von Amtes wegen zu prüfen gewesen. Ob eine Verfügung nichtig ist, beurteilt sich nach der sogenannten Evidenztheorie: Der Mangel der Verfügung muss besonders schwerwiegend und offensichtlich oder leicht erkennbar sein. Weiter darf die Rechtssicherheit durch die Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet werden. Als Nichtigkeitsgründe gelten schwere Zuständigkeitsfehler, krasse Verfahrens- oder Eröffnungsfehler sowie ausserordentlich schwere inhaltliche Mängel. Zusätzlich zu diesen objektiven Anforderungen ist im konkreten Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Adressaten an der richtigen Rechtsanwendung und dem Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit vorzunehmen, wobei die Nichtigkeit einer Verfügung nicht leichthin angenommen werden darf.4 Allerdings relativiert das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid die hohen Anforderungen an die Nichtigkeit im vorliegenden Kontext. Gerade weil es den Rechtsmittelbehörden bei einer bloss fehlerhaften Kündigungsverfügung verwehrt ist, diese aufzuheben, soll die strenge Praxis zur Nichtigkeit nicht unbesehen auf die Überprüfung einer Kündigung übernommen werden. Vielmehr ist in Fällen, in denen die materielle Fehlerhaftigkeit einer Kündigung derart schwer wiegt, dass eine blosse Feststellung der Unrechtmässigkeit mit Zusprechung einer Entschädigung den Unrechtsgehalt nicht zu beseitigen vermag, von der Nichtigkeit der Verfügung auszugehen. Vorliegend bedeutet das, dass die Kündigung der Professorin, welche einzig auf nicht verwertbaren Beweismitteln gründet, damit gänzlich unbegründet wird. Eine völlig unbegründete und damit willkürliche Kündigung wird sodann vom Verwaltungsgericht zu Recht als materiell derart schwerwiegend mangelhaft beurteilt, dass sie als nichtig zu behandeln ist. Da eine nichtige Verfügung keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, gilt das Anstellungsverhältnis der Professorin damit als ungekündigt. Die Universität wird die Professorin deshalb in vollem Umfang weiterbeschäftigen müssen und ihr den aufgelaufenen Lohnausfall nachzuzahlen haben.

4. Fazit

Das vorliegende Urteil zeigt einmal mehr auf, dass Kündigungen bei noch nicht abgeschlossenen Strafuntersuchungen heikel sind. Kommt es – wie vorliegend – zu einem Freispruch oder zur Einstellung des Verfahrens, bricht dem kündigenden öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber der Kündigungsgrund gleichsam weg. Kann sich der Arbeitgeber nicht auf einen alternativen Kündigungsgrund berufen, riskiert er, dass seine Kündigung als unbegründet und damit willkürlich beurteilt wird. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, empfiehlt es sich, vorerst eine Einstellung im Amt bzw. Freistellung zu verfügen. Diese kann mit einem Lohnrückforderungsvorbehalt für den Fall einer Verurteilung und einer damit auszusprechenden verschuldeten Kündigung verbunden werden.

Dass eine gänzlich unbegründete Kündigung vom Verwaltungsgericht als schwerwiegend mangelhaft und damit nichtig eingestuft wurde, erscheint sachgerecht, da sich ansonsten ein öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber, der unter einem Personalrecht operiert, das keinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorsieht, sich geradezu willkürlich eines Angestellten entledigen könnte und der öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz damit sogar noch unter den privatrechtlichen Kündigungsschutz, der immerhin einige Nichtigkeitsgründe kennt, fallen würde. Etwas stossend mag am vorliegenden Entscheid sein, dass die Professorin offenbar tatsächlich die Presse vorab informiert hatte, die Universität als Arbeitgeberin diese Verletzung der Treuepflicht nun aber nicht sanktionieren kann.

  • 1. Urteil des Bundesgerichts 1B_26/2016 vom 29. November 2016
  • 2. Alfred Kölz/Isabelle Häner/Martin Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl., Zürich 2013, Rz. 480
  • 3. BGE 144 I 181 E. 5
  • 4. Jürg Martin/Jan Seltmann/Silvan Loher, Die Verfügung in der Praxis, 2. Aufl., Zürich 2016, S. 247ff.
iusNet AR-SVR 25.11.2019