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Fristlose Kündigung nach unbezahltem Urlaub (4A_35/2017)

Fristlose Kündigung nach unbezahltem Urlaub (4A_35/2017)

Rechtsprechung
Privates Individualarbeitsrecht

Fristlose Kündigung nach unbezahltem Urlaub (4A_35/2017)

Eine Lehrerin hatte zunächst vereinzelte Einsätze während der Sommermonate im Jahr 2013 geleistet. Nach einem Einsatz im regulären Schulbetrieb im September desselben Jahres schloss die Schule mit ihr am 7. Oktober 2013 einen Arbeitsvertrag ab. Ab dem 9. Oktober war sie schwangerschaftsbedingt bis zur Niederkunft am 13. Januar 2014 arbeitsunfähig. Am 20. März stimmte der Arbeitgeber dem Gesuch um unbezahlten Urlaub wegen mangelnder Krippenplätze im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub bis zum 1. Juli 2014 zu. Am 24. April 2014 sprach der Arbeitgeber die Kündigung aus, welche er am 15. Mai 2014 auf den 31. August 2014 – nach Ende des Mutterschaftsurlaubs – wiederholte. Gegen diese Kündigung erhob die Arbeitnehmerin Einsprache. Der Arbeitgeber lud die Arbeitnehmerin zweimal zu Sitzungen ein, die zum Ziel gehabt hätten, die Aufgaben und den Arbeitsablauf während Juli und August 2013 zu besprechen. Der Arbeitgeber spricht darauf die fristlose Kündigung wegen unzulässigen Verlassens des Arbeitsplatzes im Sinne von Art. 337d OR aus. Das unrechtmässige Verlassen des Arbeitsplatzes führt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass es hierfür noch einer zusätzlichen Kündigung bedarf. Hierfür ist jedoch der bewusste Entscheid nötig, den Arbeitsplatz verlassen und definitiv nicht mehr in die Dienste des Arbeitgebers treten zu wollen. Das ist vorliegend nicht erstellt und das Bundesgericht prüft einzig, ob ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung i.S.v. Art. 337 OR gegeben ist (E. 4.2, 4.5). Die Arbeitnehmerin konnte nicht von einer stillschweigenden Vereinbarung des unbezahlten Urlaubs auf das Ende der Kündigungsfrist ausgehen. Auch wenn für sie eine Stellvertretung eingesetzt worden war und sie keinen Unterricht hätte übernehmen können, waren für sie diverse in ihren Tätigkeitsbereich gehörende Aufgaben, wie beispielsweise die Erstellung eines Grammatikbuches, vorgesehen. Neben den Aufforderungen, zur Arbeit zu erscheinen, sprechen insbesondere auch die zwei Einladungen zu den zwei erwähnten Sitzungen gegen das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung. Die Arbeitnehmerin durfte auch nicht aus der Mitteilung der Pensionskasse einen derartigen Schluss ziehen, zumal sich diese Mitteilung auf den unbezahlten Urlaub bezogen hatte (E. 4.4). Anhaltspunkte, wonach die Aufforderung zur Arbeit eine Retorsionsmassnahme auf die Einsprache gegen die ordentliche Kündigung ist, bestehen nicht. Deshalb handelt es sich bei der fristlosen Entlassung vorliegend auch nicht um eine diskriminierende Rachekündigung nach Art. 10 Abs. 1 GlG (E. 4.6). Für die Verletzung des GlG durch die vorangegangene ordentliche Kündigung und einen Anspruch auf Entschädigung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GlG sieht das Bundesgericht mangels genügender Begründung keine Anhaltspunkte (E. 4.7). Zwischen dem Ende des unbezahlten Urlaubs und der fristlosen Kündigung liegt eine Arbeitswoche. Da die Arbeitnehmerin ihre Arbeit für diese Zeit nicht angeboten hat, steht ihr für diese Zeit kein Lohn zu (E. 5).

Das Bundesgericht lässt offen, ob es die Umstände anders beurteilt hätte, wenn es sich um eine langjährige Mitarbeiterin gehandelt hätte und ab wann im konkreten Fall die Sperrfristen für eine ordentliche Kündigung zu laufen begannen.

iusNet AR-SVR 21.09.2017