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Die Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung im Summarverfahren bei Angestellten im Monatslohn

Die Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung im Summarverfahren bei Angestellten im Monatslohn

Kommentierung
Arbeitslosenversicherung

Die Berechnung der Kurzarbeitsentschädigung im Summarverfahren bei Angestellten im Monatslohn

Einordnung des Entscheides und Empfehlungen an die Arbeitgebenden

I. Ausgangslage

Die Corona Pandemie hat bei sehr vielen Betrieben in den unterschiedlichsten Branchen zu massiven Umsatzeinbrüchen geführt. Um zu verhindern, dass die Betriebe ihren Mitarbeitenden kündigen müssen, hat der Bundesrat versucht, die Anspruchsberechtigten mit diversen Erleichterungen zu erweitern (vgl. Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung). Nicht zuletzt deshalb stiegen die Gesuche für Kurzarbeitsentschädigungen. Ziel war es, den betroffenen Unternehmen möglichst rasch und unkompliziert Hilfe zu gewähren. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das beschleunigte und vereinfachte Summarverfahren für die KAE eingeführt. Danach können die kantonalen Arbeitslosenkassen die KAE – anstelle der Durchführung eines aufwendigen Verfahrens für jede einzelne arbeitnehmende Person – als Pauschale für den gesamten Betrieb ausrichten.

II. Prozessgeschichte

Üblicherweise ist bei der Berechnung der KAE Art. 34 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG) zu beachten. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 Prozent des anrechenbaren Verdienstausfalls. Bis zum Höchstbetrag von CHF 148‘200.00 pro Jahr (entspricht CHF 12‘350.00 pro Monat) wird die KAE auf dem vertraglich vereinbarten Lohn berechnet. Im Verdienstausfall eingeschlossen sind Ferien- und Feiertagsentschädigungen sowie weitere vertraglich vereinbarte Zulagen, soweit sie nicht während der Kurzarbeit weiterbezahlt werden.

Im Rahmen der Corona-Pandemie ist nun auch Art. 8i Abs. 1 der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung zu beachten. Gemäss diesem Artikel soll der anrechenbare Verdienstausfall im summarischen Verfahren berechnet und die KAE pauschal ausgerichtet werden, ohne dabei die Ferien- und Feiertage zu berücksichtigen. Diese Berechnungsweise beanstandete eine Arbeitgeberin. Sie machte geltend, diese Vorgehensweise bedeute eine Schlechterstellung im Vergleich zur regulären KAE nach Art. 34 Abs. 1 und Abs. 2 AVIG. Die Arbeitslosenkasse hingegen stellte sich auf den Standpunkt, Art. 34 AVIG sei wegen des zurzeit geltenden summarischen Verfahrens nicht anwendbar. Das ergebe sich auch aus dem Abrechnungsformular sowie aus den FAQ des Seco. Dort sei ersichtlich, dass nur die AHV-pflichtige Lohnsumme inkl. der AHV-pflichtigen Zulagen sowie der anteilige 13. Monatslohn für die Berechnung massgebend seien.

III. Urteilsbegründung

Hinzuweisen ist darauf, dass die bestehenden Rechtsgrundlagen aufgrund der Pandemie verschiedentlich ergänzt wurden. Das Kantonsgericht Luzern berücksichtigte in seinem Urteil die bis zum 31. August 2021 gültige Fassung von Art. 8i Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung. Das Gericht kam zum Schluss, dass der per 1. September 2020 geänderte Wortlaut von Art. 8i Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, insbesondere die Einfügung «[i]n Abweichung von Artikel 34 Absatz 2 und 38 Absatz 3 Buchstabe b AVIG» nicht rückwirkend per 1. März 2020 in Kraft gesetzt worden sei.

Nach detaillierter Analyse der Materialien und den Erläuterungen des Seco kam das Gericht zum nachvollziehbaren Schluss, dass die Ferien- und Feiertagsentschädigung bei der KAE im summarischen Verfahren zu berücksichtigen seien. Es äusserte sich auch dazu, dass die Weisungen des Seco sowie das Antrags- und Abrechnungsformular lediglich als Verwaltungsverordnungen zu qualifizieren seien und keine eigenständige Grundlage für die Nichtberücksichtigung der Ferien- und Feiertagsentschädigung darstellen könnten. Damit gelangte das Kantonsgericht Luzern zum Schluss, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Nichtberücksichtigung von Ferien- und Feiertagsentschädigungen fehle.

IV. Welche Bedeutung hat dieses Urteil für die Praxis?

Das Urteil des Kantonsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Das Seco teilte die Ansicht des Kantonsgerichtes Luzern nicht und liess verlauten, den Entscheid weiter zu ziehen. Wie das Bundesgericht entscheiden wird ist noch offen und es kann eine Weile dauern, bis diese Frage endgültig beantwortet ist.

Das Seco hat grosses Interesse an einer Aufhebung des Entscheides, weil enorme finanziellen Konsequenzen daran anknüpfen. Würde das Urteil vom Bundesgericht geschützt, müssten die Arbeitslosenkassen nachträglich zusätzliche Kurzarbeitsentschädigungen ausrichten. Auch der Aufwand wäre enorm: Von Januar bis Dezember 2020 wurden gemäss Seco für 672’500 Betriebe Kurzarbeit abgerechnet. Diese Dossiers müssten alle nochmals geöffnet und überarbeitet werden.

Die Arbeitslosenkassen halten an den Weisungen des Seco und an der bisherigen Praxis fest und zahlen weiterhin keine Entschädigung für Ferien und Feiertage aus. Die Unternehmen werden auf der Webseite «www.arbeit.swiss.ch» gebeten, keine entsprechenden Anträge einzureichen. D.h. bis zur Klärung der Rechtslage bleibt die Berechnung der KAE für im Monatslohn Angestellte unverändert; mit anderen Worten besteht aktuell kein Anspruch auf KAE für Ferien- und Feiertage.

V. Empfehlungen an die Arbeitgebenden

Die Empfehlung des Seco ist m.E. problematisch: Sollte das Bundesgericht den Entscheid des Kantonsgerichtes schützen, würde das bedeuten, dass die Unternehmen Anspruch auf einen Miteinbezug der Ferien- und Feiertagsentschädigungen bei der Berechnung der KAE haben. Ob diese Ansprüche allerdings rückwirkend geltend gemacht werden können, ist unklar. Um möglichst ihre Rechte zu wahren, wird den Arbeitgebenden folgendes Vorgehen empfohlen, wobei nicht garantiert werden kann, dass mit diesem Vorgehen eine rückwirkende Geltendmachung der Ferien- und Feiertagsentschädigungen wirklich Erfolg haben wird:

  • Die Ferien- und Feiertagsentschädigung sollte künftig gegenüber der zuständigen Arbeitslosenkasse mit der monatlichen Abrechnung geltend gemacht werden. Das Problem ist bloss, dass das zur Verfügung gestellte Formular des Seco für das Summarverfahren die Berücksichtigung der Ferien- und Feiertage nicht zulässt. Es ist aber zu empfehlen, sämtliche Informationen anzugeben, damit eine Berechnung möglich wäre. Am besten wäre es daher, ein Zusatzblatt mit den Informationen zu Ferien- und Feiertagen mitzuschicken mit dem Hinweis, dass diese bei der KAE zu berücksichtigen seien. Empfehlenswert dürfte es zudem sein, zusammen mit der monatlichen Abrechnung einen Antrag auf Sistierung über den Entscheid betreffend Ferien und Feiertage zu stellen. Wenn keine Sistierung verlangt wird, müsste bei einer Nichtberücksichtigung der Ferien- und Feiertage eine anfechtbare Verfügung verlangt werden, gegen welche rekurriert werden müsste. Solange der Bundesgerichtsentscheid allerdings noch nicht vorliegt und die Rechtslage nicht klar ist, macht dies nicht viel Sinn. Daher ist der Sistierungsantrag wesentlich.
  • Für den Fall, dass ein Antrag auf KAE bereits bearbeitet und dabei Ferien- und Feiertage nicht berücksichtigt wurden, kann eine anfechtbare Verfügung verlangt werden, wenn seit der Abrechnung noch keine 90 Tage vergangen sind. Die Frist von 90 Tagen beginnt mit dem Erhalt der Abrechnung zu laufen und ist eingehalten, wenn das Schreiben am letzten Tag der Frist der Post übergeben wird. Gegen eine solche Verfügung kann dann innert 30 Tagen eine Einsprache erhoben werden. Es sollte allerdings zusammen mit der Einsprache ein Sistierungsantrag gestellt werden, bis das höchstrichterliche Urteil vorliegt. Solange der höchstrichterliche Entscheid nicht vorliegt, macht die Bearbeitung der Einsprache kaum Sinn.
  • Ist die 90 Tage-Frist seit Erhalt der Abrechnung bereits verstrichen, kann keine anfechtbare Verfügung mehr verlangt werden. In diesen Fällen bleibt die Möglichkeit, ein Wiedererwägungsgesuch zu stellen. Wird das Wiedererwägungsgesuch bereits jetzt gestellt, sollte dieses wiederum mit einem Sistierungsantrag bis zum Vorliegen des Bundesgerichtsentscheides verbunden werden. Alternativ wird das Wiedererwägungsgesuch umgehend nach Vorliegen des Bundesgerichtsentscheides gestellt.
iusNet AR-SVR 13.05.2021