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Abgrenzung zwischen revisionsweiser Rentenabänderung nach Art. 17 ATSG und Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 UVG

Abgrenzung zwischen revisionsweiser Rentenabänderung nach Art. 17 ATSG und Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 UVG

Kommentierung
Unfallversicherung

Abgrenzung zwischen revisionsweiser Rentenabänderung nach Art. 17 ATSG und Wiedererwägung nach Art. 53 Abs. 2 UVG

8C_121/2017

I. Zum Sachverhalt

In 8C_121/2017, einem Verfahren mit öffentlicher Beratung, war die auf knapp fünf Jahre rückwirkende Aufhebung einer Invalidenrente mit Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Leistungen zu beurteilen. Aufgrund der Folgen eines Motorradunfalles konnte der Betroffene seine bis zum Unfall ausgeübte Tätigkeit als angestellter Feinmechaniker nicht mehr ausführen. Die Unfallversicherung hatte ihm demzufolge ab 1. Dezember 1998 eine Invalidenrente für einen Erwerbsunfähigkeitsgrad von 100% zugesprochen. Im Zeitpunkt des Unfalles unterhielt der Verunfallte zu Hause eine mechanische Werkstätte. Für diese selbständigerwerbende Nebentätigkeit hatte er keine freiwillige Versicherung nach Art. 4 UVG abgeschlossen. Kurz vor Rentenbeginn überführte er die Aktiven und Passiven seiner Einzelfirma in eine neu gegründete GmbH. Für diese war er als einzelzeichnungsberechtigter Gesellschafter und Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Am Stammkapital der GmbH war er mit 19/20 und seine Frau mit 1/20 beteiligt. Im Rahmen eines ersten durchgeführten Revisionsverfahrens im Jahr 2003 bestätigte sich ein unveränderter Rentenanspruch. Bei einer erneuten, im Jahr 2010 eingeleiteten revisionsweisen Überprüfung des Rentenanspruchs traf der Unfallversicherer diverse Abklärungen. Diese betrafen die GmbH bzw. die für diese ausgeführte Tätigkeit. Der Unfallversicherer hob schliesslich die Rente – nach zuerst vorgenommener Sistierung – mit Verfügung vom 12. September 2013 rückwirkend per 1. Februar 2008 auf mit der Begründung, der Versicherte habe als Geschäftsführer der GmbH in den Jahren 2007 bis 2010 ein rentenausschliessendes Einkommen erzielt. Er forderte zudem die für den Zeitraum ab der Aufhebung erbrachten Rentenleistungen zurück. Die gegen den ablehnenden Einsprache-Entscheid erhobene Beschwerde hiess die Vorinstanz teilweise gut (Reduktion des Rückerstattungsbetrages) und bestätigte im Übrigen die Rentenaufhebung per 1. Februar 2008 sowie die Rückerstattungspflicht. Strittig und zu prüfen war im Verfahren vor Bundesgericht, ob die Vorinstanz die Rentenaufhebung zu Recht aufgrund einer erheblichen Veränderung der erwerblichen Auswirkungen der Unfallfolgen per 1. Februar 2008 bestätigt hatte.

II. Zu den Erwägungen

Unbestritten war in Bezug auf die in Anwendung von Art. 28 Abs. 2 UVV vorzunehmende Invaliditätsbemessung, dass bei der Bemessung des Valideneinkommens nur das in der Vollzeitbeschäftigung als Feinmechaniker erzielte Einkommen zu berücksichtigten ist, das in der eigenen Werkstatt in einer selbständigen, nicht versicherten Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen jedoch nicht. Mit der in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 UVV getroffenen Regelung soll verhindert werden, dass die Unfallversicherer für Tätigkeiten Leistungen zu erbringen haben, für welche keine Prämien entrichtet wurden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit bei der GmbH nicht gegen Unfälle versichert war, stand der Berücksichtigung des bei dieser Firma erzielten Verdienstes bei der Bestimmung des Invalideneinkommens nicht entgegen. Konkret war bei der Bemessung des Invalideneinkommens auf die vom Bundesgericht als ideale Tätigkeit bezeichnete Beschäftigung als Gesellschafter und mitarbeitender Geschäftsführer der GmbH abzustellen. Von der Anrechnung eines hypothetischen Invalideneinkommens gestützt auf statistische Lohnangaben war demzufolge abzusehen. Das Bundesgericht bestätigte, dass der Versicherte in dieser zum Hauptberuf gewordenen Beschäftigung als Gesellschafter und mitarbeitender Geschäftsführer der GmbH ein rentenausschliessendes Einkommen erzielt. In der Folge prüfte es, ob in Bezug auf die Rentenzusprache ein Rückkommenstitel vorliegt. Während die Vorinstanz sich auf Art. 17 ATSG gestützt hatte. Das Bundesgericht wies darauf hin, der Revisionsordnung nach Art. 17 ATSG gehe der Grundsatz vor, dass die Verwaltung befugt sei, jederzeit von Amtes wegen auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn sich diese als zweifellos unrichtig erweise und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung sei. Unter diesen Voraussetzungen könne die Verwaltung eine Rentenverfügung auch dann abändern, wenn die Revisionsvoraussetzungen nach Art. 17 ATSG nicht erfüllt seien. Werde die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenverfügung erst vom Gericht festgestellt, so könne es die auf Art. 17 ATSG gestützte Revisionsverfügung der Verwaltung mit dieser substituierten Begründung schützen. Das Bundesgericht verwies darauf, die ursprüngliche Rentenzusprache sei erfolgt, ohne dass der Unfallversicherer sich mit dem in der seit 1990 als Einzelfirma geführten und seit Dezember 1998 als GmbH betriebenen Unternehmung des Versicherten erwirtschafteten Einkommens befasst hatte. Es ging von eindeutigen Grundlagen aus, die damals für die Berechnung des Invalideneinkommens zwingend eine Auseinandersetzung des Unfallversicherers mit dem aus dem Betrieb der mechanischen Werkstätte erwirtschafteten Gewinns erfordert hätte. Dies war unterlassen worden. Eine nachvollziehbare Berechnung lag der Rentenzusprache zudem nicht zugrunde. Dies stellt gemäss Bundesgericht eine klare Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und eine rechtsfehlerhafte Invaliditätsbemessung dar. Demzufolge qualifizierte es die ursprüngliche Verfügung als zweifellos unrichtig im wiedererwägungsrechtlichen Sinn.

III. Kommentar

Bezüger von Renten, die auf einer zweifellos unrichtigen Verfügung im wiedererwägungsrechtlichen Sinn beruhen, sind gleichgestellt mit Bezügern von anderen auf einer zweifellos unrichtigen Verfügung beruhenden Leistungen. Unabhängig davon, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der Rentenzusprache geändert haben, bleibt eine wiedererwägungsweise und damit auch rückwirkende Aufhebung von Leistungen nach Art. 53 Abs. 2 ATSG möglich. Diese abgesehen von Art. 17 ATSG zusätzlich bestehende Abänderungs- bzw. Aufhebungsmöglichkeit für Renten gibt dem Unfallversicherer einen breiten Handlungsspielraum. Nachträgliche Leistungskorrekturen können sowohl bei voreiligen in Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes ergangenen Rentenzusprachen wie auch bei nachträglich veränderten Verhältnissen erfolgen. In Anbetracht der Möglichkeit der substituierten Begründung einer zweifellosen Unrichtigkeit im wiedererwägungsrechtlichen Sinn erst im Gerichtsverfahren ist die Rechtsvertretung eines Versicherten bei Prüfung einer Beschwerde gut beraten, unabhängig von der konkreten Begründung der Verwaltung stets sämtliche Abänderungsmöglichkeiten im Auge zu behalten.

iusNet AR-SVR 27.10.2018