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Mad Heidi: Fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters der Kantonspolizei

Mad Heidi: Fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters der Kantonspolizei

Kommentierung
Öffentliches Personalrecht

Mad Heidi: Fristlose Kündigung eines langjährigen Mitarbeiters der Kantonspolizei

VB.2019.00597

Ausgangslage

Das Zürcher Verwaltungsgericht musste sich in seinem Entscheid vom 13. Februar 2020 (VB.2019.00597) mit der Freizeitbeschäftigung eines Kaderangestellten der Kantonspolizei befassen.

Dieser betätigte sich als Co-Drehbuchautor des geplanten Films „Mad Heidi“, einer offensichtlich satirisch überhöhten Darstellung einer faschistisch regierten Schweiz mit Heidi als gewalttätiger und blutrünstiger Widerstandskämpferin. Die Arbeitgeberin kam nach Sichtung des vorab veröffentlichten Trailers zur Einschätzung, dass eine Mitarbeit eines Polizeiangehörigen an einem solchen Film, der Nazi-Klischees und völlig überzogene Gewaltdarstellungen enthalte und auch als allfällige Satire unnötig gewaltverherrlichend sei, dem Ansehen der Kantonspolizei schade. Das Gesuch um Bewilligung einer Nebenbeschäftigung wurde abgelehnt, weil eine solche nur zulässig sei, wenn sie die amtliche Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtige und mit der dienstlichen Stellung vereinbar sei.

Der Angestellte teilte darauf seinen Vorgesetzten mit, dass er gleichwohl vorerst am Drehbuch weiterschreiben werde und gleichzeitig auf eine einvernehmliche Lösung hoffe. Weiter habe er Verständnis dafür, dass die Kantonspolizei nicht mit einem „Exploitationfilm“ in Verbindung gebracht werden wolle, weshalb er vorschlage, als Co-Autor nicht mit dem eigenen bzw. seinem vollständigen Namen aufzutreten. Ergänzend erläuterte der Rechtsvertreter des Angestellten gegenüber der Arbeitgeberin dessen Haltung nochmals und ersuchte erneut um einen Kompromiss: „Selbst wenn der Inhalt des freilich noch nicht existierenden Films geeignet wäre, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kantonspolizei zu beeinträchtigen, setzte eine solche Beeinträchtigung voraus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Film und der Kantonspolizei hergestellt werden könnte. Ein solcher Zusammenhang wäre etwa dann nicht ersichtlich, wenn der Beschwerdeführer ein Pseudonym verwenden würde, wie er dies bereits angeboten habe. Es sei unverhältnismässig, dem Beschwerdeführer die in die Freizeit verlegte Tätigkeit als Co-Drehbuchautor gestützt auf einen Trailer zu untersagen, an welchem er nicht einmal mitgewirkt habe. Solches stellte sodann einen unzulässigen Eingriff in die Meinungsäusserungsfreiheit dar, weil es mildere Mittel gebe, um den bestehenden Bedenken der Kantonspolizei zu entsprechen. Im Übrigen lasse sich dem Trailer keine Verherrlichung rechtsradikalen Gedankenguts entnehmen; vielmehr sei aufgrund der verwendeten Stilmittel der Satire, Ironie, Überzeichnung und Parodie das Gegenteil der Fall.“1

Gleichwohl löste die Kantonspolizei das Anstellungsverhältnis in der Folge fristlos auf. Als Begründung führte sie aus, dass der Arbeitnehmer trotz der Ablehnung seines Gesuchs um Nebenbeschäftigung mitgeteilt habe, er habe sich entschieden, am Drehbuch weiterzuarbeiten. Die Ausübung einer Nebenbeschäftigung sei indessen nur zulässig, wenn sie die amtliche Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtige und mit der dienstlichen Stellung vereinbar sei. Der im Internet veröffentlichte Trailer zeige, dass in diesem Film Gewalt explizit dargestellt werden solle. Explizit auf die Darstellung von Gewalt ausgerichtete Filme und damit auch die persönliche Bereitschaft eines Mitarbeitenden der Kantonspolizei, das Drehbuch für einen solchen Film zu schreiben, seien mit der gesetzlichen Aufgabe der Kantonspolizei nicht vereinbar. Die Mitwirkung eines Angestellten der Kantonspolizei an einem solchen Film sei geeignet, dem Ansehen der Kantonspolizei als Garantin für die Sicherheit im Kanton Zürich und als Strafverfolgungsbehörde zu schaden. Auch eine Mitwirkung unter einem Pseudonym stelle keine Garantie dar, dass kein Bezug zwischen diesem Film und der Kantonspolizei Zürich hergestellt werden könne. Weiter führte die Arbeitgeberin aus, dass die Treuepflicht des Arbeitnehmers auch eine Gehorsamspflicht umfasse. Die Angestellten seien verpflichtet, allgemeine Weisungen und individuelle Dienstanweisungen ihrer Vorgesetzten zu befolgen. Durch seine Weigerung, die klare und begründete Anweisung seiner Vorgesetzten zu befolgen, habe der Beschwerdeführer seine Treuepflicht massiv verletzt. Aufgrund seiner Weigerung, die Ablehnung des Gesuchs um Nebenbeschäftigung zu akzeptieren sowie seiner ausdrücklichen Willensbekundung, trotzdem an einem Filmprojekt weiterarbeiten zu wollen, sei das in ihn gesetzte Vertrauen nachhaltig gestört. Das Vertrauen könne auch nicht durch eine mildere Massnahme wie einen Verweis wiederhergestellt werden, weshalb ein wichtiger Grund vorliege bzw. das Arbeitsverhältnis per sofort aufgelöst werde. 2

Nachdem ein Rekurs gegen die fristlose Kündigung von der kantonalen Sicherheitsdirektion vollumfänglich abgewiesen worden war, gelangte der Angestellte mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht und beantragte im Wesentlichen die Aufhebung der Kündigungsverfügung.

Nebenbeschäftigung und Treuepflicht

Das Verwaltungsgericht hält in seiner Urteilsbegründung einleitend mit Verweis auf Rechtsprechung und Lehre fest, dass die Missachtung von Weisungen und andere Verletzungen der Treuepflicht wie etwa ungehöriges und ungebührliches Verhalten in Form von Beleidigungen von Mitarbeitern und Vorgesetzten grundsätzlich geeignet sind, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Die Treuepflicht des Angestellten im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis beinhalte sodann eine Pflicht zur Zurückhaltung mit Meinungsäusserungen, Handlungen und Verhaltensweisen, welche dem Ansehen der Behörde bzw. des Gemeinwesens schädlich sein könnten. Mit Verweis auf die auch im Privatrecht geltenden Grundsätze führt das Gericht aber einschränkend aus, dass der Angestellte nur rechtmässige Weisungen zu befolgen habe und insbesondere keine Pflicht des Arbeitnehmers bestehe, Weisungen zu befolgen, welche seine Persönlichkeitsrechte verletzten. Weiter erinnert das Verwaltungsgericht daran, dass auch Neben- und Freizeitbeschäftigungen staatlicher Angestellter grundrechtlichen Schutz geniessen. Im vorliegenden Fall sei insbesondere die Kunstfreiheit gemäss Art. 21 Bundesverfassung (BV) berührt. Ein mit dem Verbot einer Nebenbeschäftigung einhergehender Grundrechtseingriff bedürfe deshalb einer gesetzlichen Grundlage und müsse durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sowie verhältnismässig sein (Art. 36 BV).

Das Verwaltungsgericht kommt bei seiner Prüfung der Voraussetzungen einer Grundrechtsbeschränkung zum Schluss, dass im vorliegenden Fall kein gewichtiges schutzwürdiges öffentliches Interesse am Verbot einer rein privaten Beschäftigung ohne jeden Bezug zur beruflichen Stellung oder Tätigkeit des Beschwerdeführers vorliege. Das Gericht führt dazu aus, dass dem Beschwerdeführer als Drehbuchautor insbesondere keine Funktion zukomme, welche seine Nebentätigkeit einer breiten Öffentlichkeit sichtbar gemacht hätte. Auch könne ungeachtet dessen, dass er innerhalb der Flughafenpolizei eine Führungsposition bekleidete, nicht die Rede davon sein, dass er innerhalb der Organisation der Kantonspolizei Zürich eine besonders exponierte Stellung innegehabt hätte. Zudem hätte sich die von der Kantonspolizei befürchtete Gefahr einer Schädigung ihres Ansehens durch die Verwendung eines Pseudonyms massgeblich reduzieren bzw. minimieren lassen. Was den Inhalt des Filmprojekts angehe, sei zudem festzuhalten, dass die im Trailer verwendeten Stilmittel, namentlich jenes der Übertreibung, nicht befürchten liessen, der Beschwerdeführer habe an einem Film mitgewirkt bzw. mitwirken wollen, welcher sich "um die sinnbefreite Verübung von blutiger Gewalt und Rassismus" drehe. 3

Das Verwaltungsgericht führt weiter aus, dass selbst wenn zugunsten der Kantonspolizei vom Vorliegen eines (geringen) öffentlichen Interesses ausgegangen würde, das absolute Verbot der Nebentätigkeit gleichwohl grundrechtswidrig bliebe, weil offenkundig mildere Mittel, namentlich die Mitwirkung unter Pseudonym, zur Verfügung gestanden hätten, weshalb die angeordnete Massnahme in Beziehung zur Schwere der Grundrechtseinschränkung auch als klar unverhältnismässig zu beurteilen wäre.

Schliesslich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass der „tatsächliche Beweggrund für die Kündigung darin liegt, dass der Beschwerdeführer die Rechtmässigkeit des Verbots, am Drehbuch weiterzuschreiben, in Zweifel zog und dessen rechtliche Prüfung bzw. Überprüfung auf dem Rechtsmittelweg verlangte. Die Arbeitgeberin schritt mithin zur fristlosen Entlassung, um zu verhindern, dass die das Privatleben betreffende, schwer in Grundrechtspositionen des Beschwerdeführers eingreifende Weisung, überprüft werde.“4

Das Gericht beurteilt die fristlose Kündigung deshalb als krass missbräuchlich und unhaltbar, zumal der Gekündigte während seiner langjährigen Tätigkeit bei der Kantonspolizei stets gute und sehr gute Qualifikationen erhalten habe und mehrmals befördert worden war.

Nichtigkeit der Kündigungsverfügung

Erweist sich die Kündigung eines auf dem kantonalen Personalgesetz gründenden öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisses als missbräuchlich oder sachlich nicht gerechtfertigt, stellt das Verwaltungsgericht die Unrechtmässigkeit der Kündigung fest und spricht eine Entschädigung zu (vgl. § 18 Abs. 3 Personalgesetz [PG, LS 177.10]). Es ist in solchen Fällen dem Verwaltungsgericht verwehrt, die Kündigung aufzuheben, da das kantonale Personalrecht keinen Weiterbeschäftigungsanspruch vorsieht. 5 Anders verhält es sich, wenn eine Kündigung nicht nur rechtlich mangelhaft, sondern nichtig und damit rechtlich absolut unwirksam ist. Die Nichtigkeit der Verfügung wurde im vorliegenden Verfahren sinngemäss geltend gemacht und wäre vom Verwaltungsgericht ohnehin von Amtes wegen zu prüfen. Ob eine Verfügung nichtig ist, beurteilt sich nach der sogenannten Evidenztheorie: Der Mangel der Verfügung muss besonders schwerwiegend und offensichtlich oder leicht erkennbar sein. Weiter darf die Rechtssicherheit durch die Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet werden. Als Nichtigkeitsgründe gelten schwere Zuständigkeitsfehler, krasse Verfahrens- oder Eröffnungsfehler sowie ausserordentlich schwere inhaltliche Mängel. Zusätzlich zu diesen objektiven Anforderungen ist im konkreten Einzelfall eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Adressaten an der richtigen Rechtsanwendung und dem Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit vorzunehmen, wobei die Nichtigkeit einer Verfügung nicht leichthin angenommen werden darf. 6 Allerdings relativiert das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid die hohen Anforderungen an die Nichtigkeit im vorliegenden Kontext. Gerade weil es den Rechtsmittelbehörden bei einer bloss fehlerhaften Kündigungsverfügung verwehrt ist, diese aufzuheben, soll die strenge Praxis zur Nichtigkeit nicht unbesehen auf die Überprüfung einer Kündigung übernommen werden. Vielmehr ist in Fällen, in denen die materielle Fehlerhaftigkeit einer Kündigung derart schwer wiegt, dass eine blosse Feststellung der Unrechtmässigkeit mit Zusprechung einer Entschädigung den Unrechtsgehalt nicht zu beseitigen vermag, von der Nichtigkeit der Verfügung auszugehen. 7

Vorliegend erweist sich die ausgesprochene fristlose Kündigung gemäss Verwaltungsgericht als nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar und damit materiell schwer fehlerhaft. Es wäre rechtsstaatlich unhaltbar, wenn die Kantonspolizei als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Beschwerdeführer nur deshalb (fristlos) beenden könnte, weil er eine offensichtlich grundrechtswidrige Weisung hinterfragte. Da die blosse Feststellung der Unrechtmässigkeit der Kündigung und die Zusprechung von Lohnersatz und einer Entschädigung diesen Unrechtsgehalt nicht zu beseitigen vermögen, wird die vorliegende Kündigungsverfügung als gänzlich nichtig und damit unwirksam beurteilt. Damit gilt das Anstellungsverhältnis als ungekündigt und die Kantonspolizei wird ihren Mitarbeiter weiterbeschäftigen müssen und ihm den aufgelaufenen Lohnausfall nachzuzahlen haben.
Die Kantonspolizei hat das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht weitergezogen.

Fazit

Neben- und Freizeitbeschäftigungen von Angestellten in exponierten staatlichen Funktionen wie z.B. Polizei, Justizvollzug oder Volksschule führen regelmässig zu Diskussionen. Zu Recht gilt die Treuepflicht des öffentlich-rechtlichen Angestellten grundsätzlich auch für sein ausserberufliches Verhalten, wenn dieses dem Ansehen der Behörde bzw. des Gemeinwesens schädlich sein könnte. Das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen und deren Angestellte ist für das Funktionieren von Staat und Verwaltung unerlässlich. Beamte, deren ausserberufliches Verhalten derart im Widerspruch zu den jeweiligen Amtspflichten und den Werten des Staates steht, verlieren jegliche Glaubwürdigkeit und sind damit nicht tragbar.

Allerdings sind die Grenzen der ausserberuflichen Treuepflicht stets zu beachten. Auch öffentlich-rechtliche Angestellte haben selbstverständlich das Recht auf ein Privatleben und die Ausübung ihrer Grundrechte. Gehen öffentlich-rechtlich Angestellte in ihrer Freizeit Tätigkeiten nach, welche der Mehrheit der Bevölkerung weniger geläufig sind und damit bei empfindlicheren Bürgerinnen und Bürgern Irritationen auslösen könnten, ist eine sorgfältige Interessenabwägung unabdingbar. Bei allfälligen Weisungen ist die Verhältnismässigkeit zu beachten und es ist stets die mildeste Massnahme anzuordnen. Es hat sich in der Praxis bewährt, in solchen Fällen das direkte Gespräch zu suchen, den Angestellten auf die Problematik hinzuweisen und gemeinsame Rahmenbedingungen für die ausserberufliche Aktivität festzulegen. In aller Regel werden auch die Mitarbeitenden nämlich ein Interesse daran haben, ihre Freizeitbeschäftigung in einer Art und Weise auszuüben, welche die berufliche Glaubwürdigkeit und Tätigkeit nicht beeinträchtigt.

Es verwundert deshalb etwas, dass die Kantonspolizei den Vorschlag ihres Angestellten, unter Verwendung eines Pseudonyms am Film mitzuwirken, nicht aufgenommen hat. Damit hätten wohl die Interessen der Polizei sowie ihres Angestellten gleichermassen berücksichtigt werden können. Wäre es dennoch zu öffentlicher Kritik am ausserberuflichen Verhalten des Polizeiangehörigen gekommen, wäre diese mit Verweis auf dessen Grundrechte zurückzuweisen gewesen, denn gelegentlich muss der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber auch bereit sein, überhöhten Ansprüchen der Öffentlichkeit an das ausserberufliche Verhalten von Staatsangestellten entgegenzutreten. Unterbleibt dies, hat das eine Signalwirkung und es dürfte in der Folge zunehmend schwieriger sein, geeignete Mitarbeitende für solche Funktionen zu finden, denn gute Kandidaten werden sich heute kaum noch in eine Berufstätigkeit begeben wollen, der sie ihr gesamtes ausserberufliches Verhalten vollständig unterordnen müssten.

 

  • 1. VB 2019.00597 E 3.5.
  • 2. VB 2019.00597 E 3.7.
  • 3. VB 2019.00597 E. 4.3.3.
  • 4. VB 2019.00597 E. 4.7.
  • 5. BGE 144 I 181 E. 5
  • 6. Jürg Martin/Jan Seltmann/Silvan Loher, Die Verfügung in der Praxis, 2. Aufl., Zürich 2016, S. 247ff.
  • 7. VB 2019 00597 E. 2.3
iusNet AR-SVR 24.05.2020