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BVG-Weiterversicherung und befristete Arbeitsverhältnisse

BVG-Weiterversicherung und befristete Arbeitsverhältnisse

Kommentierung
Berufliche Vorsorge

BVG-Weiterversicherung und befristete Arbeitsverhältnisse

Ein Widerspruch?

I. Einleitung

Um die soziale Absicherung von älteren Arbeitnehmenden zu verbessern, besteht unter anderem in Bezug auf die vorliegend interessierenden Altersleistungen seit Anfang 2021 die Möglichkeit der Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung. Voraussetzung ist, dass die versicherte Person das 58. Altersjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin aufgelöst worden ist. Kommt es während der Dauer der Weiterversicherung zu einem neuen Anstellungsverhältnis, stellt sich die Frage, inwiefern die Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung möglich bleibt. Für den Fall, dass die neue Anstellung befristet ist, kann ein erhebliches Interesse daran bestehen, die Versicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung weiterzuführen, da im Anschluss an das befristete Arbeitsverhältnis eine Weiterversicherung gemäss Art. 47a BVG mangels Arbeitgeberinkündigung nicht mehr möglich ist.

II. Weiterführung der Versicherung bei Antritt einer neuen Stelle

Verlässt eine versicherte Person die bisherige Vorsorgeeinrichtung, bevor ein Vorsorgefall eintritt, besteht gemäss Art. 2 Abs. 1 FZG Anspruch auf eine Austrittsleistung (Freizügigkeitsfall). Erfolgt der Eintritt in eine neue Vorsorgeeinrichtung, hat die früherer Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung gemäss Art. 3 Abs. 1 FZG an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen. Da im Falle einer Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung die Vorsorgeeinrichtung nicht verlassen wird, sondern die versicherte Person darin verbleibt, kommt es in grundsätzlicher Hinsicht gar nicht erst zu einem Freizügigkeitsfall und es ist der versicherten Person unbefangen, die Weiterversicherung trotz Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses weiterzuführen.1

Die Beendigung der Weiterversicherung hat der Gesetzgeber nun abschliessend in Art. 47a Abs. 4 BVG geregelt. Demnach endet die Versicherung bei Eintritt eines Vorsorgefalles (Eintritt des Risikos Tod oder Invalidität oder Erreichen des reglementarischen ordentlichen Rentenalters) oder bei Eintritt in eine neue Vorsorgeeinrichtung, wenn in der der neuen Einrichtung mehr als zwei Drittel der Austrittsleistung für den Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen benötigt werden.

Die Möglichkeit, die Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung trotz Antritt einer neuen Arbeitsstelle aufrecht zu erhalten, hängt folglich davon ab, wieviel der Austrittsleistung für den Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen benötigt werden, wobei die Höhe der Eintrittsleistung von der Vorsorgeeinrichtung nach Art. 10 Abs. 1 FZG im Reglement bestimmt wird. Die Berechnung der Austrittsleistung ist abhängig davon, ob es sich um eine Vorsorgeeinrichtung im Beitrags- oder Leistungsprimat handelt. Der im Gesetz erwähnte «Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen» bezieht sich sowohl auf Kassen im Beitrags- als auch im Leistungsprimat, unterschiedlich ist hingegen die Berechnung.2

III. Weiterführung der Versicherung bei befristeten Arbeitsverträgen

Wird bei bestehender Weiterversicherung in der Vorsorgeeinrichtung der letzten Arbeitgeberin ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, endet die Weiterversicherung, wenn mehr als zwei Drittel der Austrittsleistung für den Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen benötigt werden. Endet auch das neue Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung der Arbeitgeberin, besteht wieder die Möglichkeit der Weiterversicherung in der neuen Vorsorgeeinrichtung. Handelt es sich jedoch um ein befristetes Arbeitsverhältnis, mangelt es an einer für die Weiterversicherung notwendigen Auflösung durch der Arbeitgeberin.

Ob eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Sinne von Art. 47a Abs. 1 BVG eine Kündigung voraussetzt oder auch eine Aufhebungsvereinbarung auf Veranlassung der Arbeitgeberin oder eine Kündigung durch die Arbeitnehmerin, die im Verhalten der Arbeitgeberin begründet ist, ausreicht, erscheint fraglich. In der Lehre findet sich der Ansatz, die Unfreiwilligkeit des Stellenverlustes als massgebliches Kriterium heranzuziehen.3 Soweit die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf die Arbeitgeberin zurückzuführen ist, liesse sich auch eine Beendigung durch Zeitablauf als Auflösung durch die Arbeitgeberin betrachten, was die Weiterversicherung ermöglichen würde. Sinn und Zweck der Regelung von Art. 47a BVG würden eine solche Betrachtungsweis nahelegen, sollen doch ältere Arbeitnehmende durch vorsorgerechtliche Regelungen sicher nicht davon abgehalten werden, sich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

IV. Folgen der Ablehnung eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Entscheidet sich eine arbeitslose Person, deren Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin aufgelöst worden ist und die die Versicherung gemäss Art. 47a BVG weiterführt, eine befristete Anstellung nicht anzunehmen, um die Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung nicht zu gefährden, könnte das Auswirkungen auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben. In der Arbeitslosenversicherung gelten strenge Schadenminderungspflichten, was unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass gemäss Art. 16 Abs. 1 AVIG grundsätzlich jede zumutbare Arbeit unverzüglich anzunehmen ist.

Die Tatbestände, die eine Arbeit als unzumutbar erscheinen lassen, sind in Art. 16 Abs. 2 AVIG aufgeführt. Unter lit. c ist festgehalten, dass eine Arbeit, die dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand nicht angemessen sind, von der Annahmepflicht ausgeschlossen sind. Die Tatsache, dass die Aufnahme einer befristeten Tätigkeit zur Beendigung der Weiterversicherung nach Art. 47a BVG führt, könnte unter diesem Titel «persönliche Verhältnisse» berücksichtigt werden und so zu einem Entfallen der Annahmepflicht führen. Doch die Reichweite der Unzumutbarkeit ist im Arbeitslosenversicherungsrecht eher kurz. Die Pflicht der Versicherten, die Versicherungsmasse nicht zu schmälern, hat einen hohen Stellenwert.

Wird die Annahme der Arbeitsstelle trotz der vorsorgerechtlichen Folgen der Befristung als zumutbar angesehen, hat die Verletzung der Annahmepflicht eine Einstellung in der Taggeldberechtigung zur Folge. Gemäss Art. 45 Abs. 4 lit. b AVIV liegt ein schweres Verschulden vor, wenn die versicherte Person ohne entschuldbaren Grund eine zumutbare Arbeit ablehnt. Beim Vorliegen eines schweren Verschuldens dauert die Einstellung in der Taggeldberechtigung 31 bis 60 Tage. Soweit in den negativen vorsorgerechtlichen Folgen einer Annahme der Arbeit ein entschuldbarer Grund qualifiziert würden, hätte dies Auswirkungen auf den Grad des Verschuldens, was eine Reduktion der Anzahl Einstelltage und nicht etwa das Entfallen der Sanktion zur Folge hätte. Gemäss Verwaltungspraxis hängt die Anzahl der Einstelltage von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab, deren Annahme verweigert worden ist.4

V. Reglementarische Möglichkeiten der Weiterversicherung

Entscheidet sich eine Person trotz zu erwartender Beendigung der Weiterversicherung, ein befristetes Arbeitsverhältnis anzunehmen, und entfällt nach dem Ablauf der vereinbarten Zeit – mangels Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin – die Weiterversicherung nach Art. 47a BVG, räumt Art. 47 BV die Möglichkeit ein, die Weiterversicherung in der bisherigen Vorsorgeeinrichtung oder bei der Auffangeinrichtung reglementarisch vorzusehen.

Erfolgt eine Weiterversicherung nach Art. 47 BVG, bedeutet das im Vergleich zu jener nach Art. 47a BVG in verschiedener Hinsicht eine Schlechterstellung. So ist im Rahmen von Art. 47 BVG eine Kündigung durch die versicherte Person nicht vorgesehen, eine vorzeitige Pensionierung ausgeschlossen und ausserdem soll eine Weiterversicherung nur dann möglich sein, wenn gemäss Reglement der Vorsorgeeinrichtung eine vorzeitige Pensionierung nicht möglich ist. Schliesslich ist davon auszugehen, dass eine Weiterversicherung nach Art. 47 BVG nur während zwei Jahren möglich ist.5

VI. Zusammenfassung und Fazit

Mit der Möglichkeit, die Altersversicherung in der beruflichen Vorsorge bei einem Stellenverlust ab dem 58. Altersjahr aufrechtzuerhalten, wird der Tatsache, dass ältere Arbeitnehmende in höherem Masse von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Rechnung getragen. Da jedoch bei Antritt einer neuen Arbeitsstelle die Weiterversicherung in der Regel endet und eine solche mangels Arbeitgeberinkündigung bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht möglich ist, wird ein falscher Anreiz gesetzt. Um die Weiterversicherung aufrecht zu erhalten, dürfte ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht eingegangen werden, was der Zielsetzung widerspricht, ältere Arbeitnehmende im Arbeitsmarkt zu halten. Als pragmatische Lösung würde es sich anbieten, die Beendigung von befristeten Arbeitsverträgen durch Zeitablauf einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gleichzustellen, solange die Befristung nicht auf Verlangen der Arbeitnehmerin erfolgt.

  • 1. aArt. 27 BVG, der vor Erlass des FZG die Freizügigkeit regelte, stellte noch auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab.
  • 2. Vgl. dazu Hans-Ulrich Stauffer, Berufliche Vorsorge, 3. Auflage, 2019, N 1498 f.
  • 3. Elisabeth Glättli, Vor und zurück in der Weiterversicherung älterer Arbeitnehmender nach Art. 47 und 47a BVG, in: Jusletter 20. September 2021, N. 11.
  • 4. Siehe dazu AVIG-Praxis ALE D 79; wird eine zumutbare Arbeit dreimal abgelehnt erfolgt eine Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit durch die kantonale Amtsstelle.
  • 5. Vgl. zum ganzen Abschnitt Elisabeth Glättli, Vor und zurück in der Weiterversicherung älterer Arbeitnehmender nach Art. 47 und 47a BVG, in: Jusletter 20. September 2021, N. 59.
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