Auslagenersatz im Homeoffice
Auslagenersatz im Homeoffice
Auslagenersatz im Homeoffice
4A_533/2018
I. Zusammenfassung des Urteils/ Ausgangslage
Im Urteil des Bundesgerichts BGer 4A_533/2018 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Arbeitnehmer für die Nutzung eines Zimmers in seiner privaten Wohnung als Büro bzw. Archiv im Rahmen der beruflichen Tätigkeit eine Mietentschädigung verlangen kann.
Das Bundesgericht bejahte einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gestützt auf Art. 327a Abs. 1 OR hauptsächlich mit folgender Begründung: wenn dem Arbeitnehmer beim Arbeitgeber kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht, hat der Arbeitgeber die Kosten für die nötige Infrastruktur zu übernehmen; und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsraum ursprünglich nicht mit Rücksicht auf die Arbeitserfüllung gemietet hat.
Zwar handelt es sich bei BGer 4A_533/2018 um einen etwas älteren Entscheid; er rückte aber medial erst so richtig in den Fokus, seit in der jetzigen Covid-19-Pandemie viele Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden – aus diversen Gründen – im Homeoffice arbeiten lassen (nachfolgend «Covid-19-Homeoffice»). Damit einhergehend wurde die Frage laut: Hat nun jede arbeitnehmende Person, die von zu Hause aus arbeitet, Anspruch auf Bereitstellung der Homeoffice-Arbeitsmittel und/oder Erstattung ihrer Auslagen durch die arbeitgebende Person?
II. Rechtliche Grundlage: Ersatz für Arbeitsgeräte, Material und Auslagen im Homeoffice
Weder das Obligationenrecht noch das Arbeitsgesetz erwähnen das Arbeiten im Homeoffice explizit, weshalb zur Beurteilung der genannten Fragen die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts beachtlich sind:
a. Arbeitsgeräte und Material
Sofern nichts anderes verabredet ist, hat die Arbeitgeberin gemäss Art. 327 Abs. 1 OR die Arbeitnehmenden mit den Geräten und dem Material auszurüsten, die diese zur Arbeit benötigen. Stellen diese im Einverständnis mit der Arbeitgeberin selbst Geräte oder Material für die Ausführung der Arbeit zur Verfügung, steht ihnen ein Entschädigungsanspruch zu (Art. 327 Abs. 2 OR).
Als Grundsatz obliegt es also der Arbeitgeberin – als Vorbereitungshandlung für die Arbeit – Material und Arbeitsgeräte zu stellen oder die Arbeitnehmenden zu entschädigen, wenn diese das Genannte selbst zur Verfügung stellen.
Im Zusammenhang mit Homeoffice-Arbeit ist gemäss Art. 327 Abs. 1 OR entscheidend, ob die Ausstattung der Arbeitnehmenden mit Material und Arbeitsgeräten zuhause nötig ist, damit diese ihre Arbeit erledigen können.
Dies ist – nun auch in Anlehnung an BGer 4A_533/2018 – grundsätzlich dann zu bejahen, wenn der arbeitnehmenden Person, die im Homeoffice arbeitet (sei dies ausschliesslich oder alternierend), kein geeigneter Büroarbeitsplatz bei der Arbeitgeberin zur Verfügung steht.
Stellt die Arbeitgeberin in einem solchen Fall die für die Ausführung der Arbeit erforderliche Ausrüstung nicht bereit und kann die arbeitnehmende Person in der Folge nicht arbeiten, so gerät die Arbeitgeberin in Annahmeverzug nach Art. 324 OR (Pascal Domenig, Homeoffice-Arbeit als besondere Erscheinungsform im Einzelarbeitsverhältnis, 2016, Rz. 681).
Beruht das Homeoffice aber auf dem Wunsch der arbeitnehmenden Person und steht ihr weiterhin ein Büroarbeitsplatz bei der Arbeitgeberin zur Verfügung, so könnte die arbeitnehmende Person ihre Arbeitspflicht auch dort erfüllen. Dementsprechend kann die Arbeitgeberin nicht in Annahmeverzug geraten. Die arbeitnehmende Person muss in einem solchen Fall die Arbeitsgeräte und das Material für das Homeoffice folglich selbst stellen und erhält hierfür wohl auch keine Entschädigung der Arbeitgeberin (Romina Carcagni Roesler, Home Office, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht, 2014, S. 71 ff., S. 88 ff.).
Arbeitsgeräte und Material nach Art. 327 OR sind im Zusammenhang mit Homeoffice etwa Mobiliar (Tische, Stühle, Computer, Drucker, etc.) sowie Verbrauchsmaterial (Stifte, Papier etc.). Unklar war bis vor kurzem, ob auch die Kosten für den Arbeitsraum, den die arbeitnehmende Person fürs Homeoffice beansprucht, unter diese Bestimmung fällt. Dies hat das Bundesgericht in seinem Entscheid nun aber geklärt und die Mietentschädigung für den Homeoffice-Raum unter Art. 327a OR subsumiert (siehe nachfolgend).
Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil Art. 327 OR (anders als Art. 327a OR; siehe nachfolgend) dispositiven Charakter hat, weshalb grundsätzlich davon abgewichen werden kann und zwar sowohl zugunsten als auch zuungunsten der Arbeitnehmenden. Mit anderen Worten können Arbeitgebende und Arbeitnehmende vereinbaren, dass die Arbeitnehmenden vollumfänglich selbst die Arbeitsgeräte und das Material zu besorgen oder für die Kosten der selbst fürs Homeoffice zur Verfügung gestellten Geräte und Materialien aufzukommen haben. Nicht wegbedingbar, da zwingend, ist dagegen eine Entschädigungspflicht der Arbeitgebenden für allfällige Mietkosten (und weitere Auslagen nach Art. 327a OR; siehe nachfolgend).
b. Auslagen
Anders als Art. 327 OR ist die Auslagenersatzpflicht nach Art. 327a OR, wie soeben ausgeführt, einseitig zwingend und darf folglich nur zugunsten der Arbeitnehmenden abgeändert werden. Mit anderen Worten kann die Auslagenersatzpflicht nach Art. 327a Abs. 3 OR nicht wegbedungen werden.
Gemäss Art. 327a Abs. 1 OR haben die Arbeitgebenden den Arbeitnehmenden alle durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen. Eine Abgeltung durch eine Spesenpauschale ist möglich, wenn die durchschnittlichen, effektiven Auslagen tatsächlich gedeckt werden (Art. 327a Abs. 2 OR).
Im Zusammenhang mit der Ausführung der Arbeit im Homeoffice ist dabei insbesondere an Auslagen für Telefonie, Internet, Lizenzkosten für Software, Porto, Strom, Heizung (Carcagni Roesler, a.a.O.), und – wie mit BGer 4A_533/2018 nun klargestellt –, unter gewissen Voraussetzungen auch an Mietkosten für den Arbeitsraum (oder zumindest einen Anteil daran) zu denken.
Dieser zwingende Anspruch besteht aber ebenfalls nur dann, wenn die Auslagen für die Ausführung der Arbeit tatsächlich notwendig sind, diese somit zwingend anfallen, damit die übertragene Arbeit auch ausgeführt werden kann (Domenig, a.a.O.).
Schon vor BGer 4A_533/2018 und wie oben bereits im Zusammenhang mit den Geräten und Materialien erwähnt, wurde in der Lehre diesfalls argumentiert, dass wenn die Arbeitgeberin keinen bzw. keinen geeigneten Arbeitsplatz anbietet, die Arbeitsinfrastruktur zu Hause für die Berufsausübung notwendig und damit erstattungspflichtig sei (Carcagni Roesler, a.a.O.; Domenig, a.a.O.). Das Bundesgericht bestätigt dies mit seinem Urteil nun in Bezug auf die Auslagen für die Miete eines Arbeitszimmers ausdrücklich.
Das Bundesgericht geht sogar noch einen Schritt weiter und führt aus, dass es zudem keine Rolle spiele, ob die Arbeitsauslagen direkt oder indirekt entstanden seien, sondern es genüge, dass Auslagen getätigt worden seien, welche indirekt auch der Arbeitgeberin zugutekämen. Das Bundesgericht stellt damit klar: wenn die Voraussetzungen einer Auslagen-Entschädigungspflicht gegeben sind, spielt es keine Rolle, ob Arbeitnehmende ein Zimmer bzw. die Wohnung ohnehin und damit nicht im Hinblick auf die Homeoffice-Arbeit gemietet haben. Es vergleicht die Konstellation mit jener der Benützung des privaten Fahrzeugs für Geschäftsfahrten, die gemäss der Regelung von Art. 327b OR entschädigungspflichtig ist (BGer 4A_533/2018). Es ist daher davon auszugehen, dass diese Überlegung, auf all die obgenannten möglichen Auslagen im Homeoffice nach Art. 327a OR analog angewendet werden kann und zwar auch dann, wenn sie ohne die Arbeit im Homeoffice entstanden wären (wobei dann m. E. nur der geschäftlich bedingte Anteil zu entschädigen wäre, was, zweifelsohne, nicht immer einfach zu errechnen ist).
III. Übertragbarkeit des Entscheids auf das Covid-19-Homeoffice?
Entgegen dem medial geweckten Anschein lassen sich die Erkenntnisse aus BGer 4A_533/2018 nicht ohne weiteres auf den Umgang mit dem Covid-19-Homeoffice übertragen, denn das Bundesgericht stützt sich im Wesentlichen auf den speziellen Fall, dass dem Arbeitnehmer beim Arbeitgeber kein Arbeitsplatz zur Verfügung stand und das Arbeiten im Homeoffice deshalb notwendig war.
Beim Homeoffice in Zeiten des Coronavirus steht den Arbeitnehmenden aber bei ihren Arbeitgebenden grundsätzlich ein voll ausgestatteter Arbeitsplatz zur Verfügung.
Um die Frage zu beantworten, ob Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden auch in Bezug auf das Covid-19-Homeoffice mit Arbeitsmittel für Zuhause auszurüsten und/oder ihre Auslagen fürs Homeoffice zu erstatten haben, wird man daher eine Einzelfallanalyse vornehmen müssen.
Das entscheidende Kriterium bleibt m. E. dabei die Beantwortung der Frage, ob die Arbeit im Homeoffice (aus anderen Gründen als das Nichtvorhandensein eines Arbeitsplatzes bei der Arbeitgeberin) notwendig war oder ist, kombiniert mit der Frage, wessen Risikobereich diese Notwendigkeit zuzuordnen ist.
Verpflichten Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden dazu, im Homeoffice zu arbeiten, ist grundsätzlich von einer Notwendigkeit der Homeoffice-Auslagen für die Ausführung der Arbeit auszugehen. Entsprechend ist eine Ausstattungs- und Entschädigungspflicht wohl zu bejahen.
Schwieriger scheint eine sachgerechte Risikozuweisung dort, wo Arbeitgebende ihre Arbeitnehmenden aufgrund behördlicher Empfehlung im Homeoffice arbeiten lassen. Das Staatssekretariats für Wirtschaft(SECO) zumindest erachtet Covid-19 und seine Auswirkungen nicht als zum normalen Betriebsrisiko der Arbeitgebenden gehörend (vgl. die Information des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zu: Arbeitsausfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus), weshalb ein Annahmeverzug der Arbeitgebenden, die ihre Arbeitnehmenden nicht in Anwendung von Art. 327 und/oder 327a OR ausstatten oder entschädigen, nicht leichthin anzunehmen ist.
Andererseits erscheint es unbefriedigend, sämtliche Kosten für die Ausstattung und Auslagen des Covid-19-Homeoffice auf die Arbeitnehmenden zu überwälzen, haben Arbeitgebende nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Vermögen ihrer Arbeitnehmer zu schützen.
Auch im Zusammenhang mit behördlich angeordneter Quarantäne (und damit verbundener Arbeit im Homeoffice) wird eine Einzelfallabwägung notwendig sein, um zu entscheiden, ob die Notwendigkeit zur Erfüllung der Arbeit im Homeoffice statt am Büroarbeitsplatz der Risikosphäre der Arbeitnehmenden (z.B. wenn diese freiwillig in Länder reisen, die auf der Liste der Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko stehen) oder der Arbeitgebenden (z.B. bei ungenügenden Massnahmen zum Schutz der Mitarbeitenden und daraus resultierender Ansteckung und Quarantäne) zuzuordnen ist.
In Anbetracht der gegebenen Umstände und Unsicherheiten, die wohl noch einige Zeit andauern werden, sei an dieser Stelle empfohlen, die Parameter der Arbeit im Homeoffice (und zwar nicht nur in Bezug auf Arbeitsgeräte, Material und Auslagen, sondern auch Zeiterfassung, Haftung, usw.) soweit möglich in einer schriftlichen Vereinbarung festzuhalten.