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Religiöse Symbole während Verhandlungen

Religiöse Symbole während Verhandlungen

Jurisprudence
Öffentliches Personalrecht

Religiöse Symbole während Verhandlungen

2C_546/2018

Das Bundesgericht setzt sich auf Beschwerde eines Anwalts hin mit dem Beschluss des Gerichtsrats des Kantons Basel-Stadt auseinander, der verschiedene Änderungen im Personalreglement der Gerichte des Gerichtsrats des Kantons Basel-Stadt vorsah, welche im Juni 2018 im Amtsblatt publiziert wurden.

Strittig war, ob der neu einzuführenden § 8a des Personalreglements der Gerichte des Gerichtsrats des Kantons Basel-Stadt (nachfolgend: § 8a Personalreglement) gegen die Religionsfreiheit i.S.v. Art. 15 BV, Art. 9 EMRK und Art. 18 Abs. 3 des internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UN-Pakt II; SR 0.103.2) verstösst, wobei sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf Art. 15 BV stützte und das Fehlen der gesetzlichen Grundlage, des öffentlichen Interesses sowie der Verhältnismässigkeit geltend machte (E. 3).

§ 8a Personalreglement lautet:

"Die Präsidentinnen und Präsidenten, die Richterinnen und Richter, Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber sowie weitere an der Beratung des Gerichts beteiligte Personen wie insbesondere Volontärinnen und Volontäre haben sich in Verhandlungen und bei der Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit dem Tragen sichtbarer religiöser Symbole zu enthalten."

Das Bundesgericht kommt nach Prüfungen sämtlicher Voraussetzungen von Art. 36 BV zum Schluss, dass keine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit vorliegt (E. 4.7, E. 5).

Das Bundesgericht hält zunächst fest, dass Anordnungen über das sichtbare Tragen religiöser Symbole im öffentlichen Dienstverhältnis das Grundverhältnis zwischen dem Staat und seinen Angestellten betrifft. Das Personalreglement, welches als Grundlage für eine derartige Anordnung dient, ist eine generell-abstrakte Norm, regelt aber aufgrund ihrer Auswirkungen auf das Grundverhältnis zwischen dem Staat und seinen Angestellten nicht allein verwaltungsinterne Angelegenheiten und untersteht deshalb der hier durchgeführten abstrakten Normenkontrolle (E. 1.1.3.).

Das Bundesgericht stellt fest, dass die in § 8a Personalreglement enthaltene Aufforderung, in gewissen Situationen auf religiös motivierte Bekleidungsstücke zu verzichten, zu einer Beschränkung der Religionsfreiheit führen kann (E. 4.1). Da vorliegend nicht der Kerngehalt der Religionsfreiheit betroffen ist, handelt es sich nicht um einen schweren Eingriff in das Grundrecht. Das Verbot gilt zeitlich und sachlich eng begrenzt, z.B. für Verhandlungen und die Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit. Es wirkt sich damit nur beschränkt auf den Lebensalltag von gläubigen Angestellten, welche sichtbare Symbole tragen wollen, aus. Das Bundesgericht grenzt den vorliegenden Sachverhalt von demjenigen in BGE 142 I 49 ab, in dem es um das religiös motivierte Tragen des Kopftuchs durch Schülerinnen ging, da von Gerichtspersonen "in weitaus höherem Masse als von Schülerinnen und Schülern verlangt werden [kann], dass sie reflektiert mit einer Konfliktsituation umgehen können, die sich aus Anforderungen ihrer beruflichen Tätigkeit einerseits und ihren religiösen Überzeugungen andererseits ergeben. Das gilt umso mehr, als die Arbeit an einem Gericht bis zu einem gewissen Grad stets die Fähigkeit verlangt, innerlich Distanz zu persönlichen Grundhaltungen zu wahren." Im Gegensatz zum Schulbesuch ist die Anstellung am Gericht freiwillig. Zudem ist die Teilnahme an Verhandlungen als Teil des Gerichts sodann keine Voraussetzung für das Absolvieren eines Volontariats (E. 4.3.1-4.3.3).

Als massgebendes öffentliches Interesse ist die Neutralitätspflicht des Staates zu nennen. Mit der angefochtenen Bestimmung soll verhindert werden, dass den Parteien der Eindruck vermittelt wird, einzelne Gerichtsmitglieder liessen sich in der Urteilsfindung von ihren religiösen Überzeugungen leiten. Zudem haben alle Parteien einen individualrechtlichen Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, was auch in weltanschaulich-religiöser Hinsicht gewährleistet sein muss (E. 4.5). Die Verhältnismässigkeit ist ebenfalls gegeben, da das Tragen sichtbarer religiöser Symbole gemeint ist und die Bestimmung zeitlich auf Verhandlungen und die Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit beschränkt ist. Unzumutbarkeit könnte sich daher einzig aus konkreten Situationen ergeben, die im vorliegenden Verfahren der abstrakten Normenkontrolle nicht zu prüfen sind (E. 4.6).  

Zur Legitimation stimmt das Bundesgericht dem Beschwerdeführer zu, dass er als Rechtsanwalt und Person die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllt und als Richter und Gerichtspräsident wahrscheinlich dereinst von der Bestimmung betroffen sein könnte. Es hält es jedoch als fraglich, ob der Beschwerdeführer aufgrund von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG zur Beschwerde legitimiert ist, weil nicht klar wird, inwieweit er aufgrund seiner weltanschaulichen Orientierung in schutzwürdigen Interessen rechtlicher oder tatsächlicher Natur betroffen wäre (vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG). Mit Blick auf den Ausgang des Verfahrens und die übrigen Voraussetzungen, welche zu keinen Bemerkungen Anlass geben, geht das Gericht nicht weiter darauf ein (E. 1.3.2).

iusNet AR-SVR 25.03.2020